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TUSSIS - Die besseren Frauen?

- "Ich bin schlau UND hübsch! Ich bin voll emanzipiert!" - 

Brauchen wir Tussis im Queerfeminismus?

DISCLAIMER: Die Rühreikonstante ist eine Serie von Blogbeiträgen, die das Thema Identität anhand einzelner Themenbereiche und persönlicher Erfahrung darzustellen versucht. Ihr findet hier weder Lebenstipps noch den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

KLISCHEE ODER PERFORMANCE?

Die Frage ob der Queerfeminismus Tussis braucht, ist eigentlich ganz einfach zu beantworten: Ja! Natürlich! Wir brauchen alle Menschen! Und solang wir Geschlecht als Performance noch haben, solang muss Geschlecht zumindest als Spektrum betrachtet werden. - Alle Formen von Weiblichkeit sind erlaubt. Trotzdem sind mir während meines kurzen Lebens schon einige Frauen* begegnet, die mich ins Grübeln gebracht haben. Das sind zum einen Frauen*, die mit 18 geheiratet haben  und mir erzählen, dass sie froh sind, dass ihr Mann die Entscheidungen trifft und es die Bestimmung der Frau ist, Kinder zu bekommen usw. -  Mit dem anderen Extrem beschäftigen wir uns heute: Tussis, Dancing-Dancing-Queens, Sektschlürfende Bumsröhren, die Fotzen aus der Großstadt, Männerfresserinnen usw. ... Ich habe schon viel über sie geschrieben. (Im weiteren Verlauf benutze ich den Begriff Tussi, der dann im weiteren noch erklärt wird.) Wer mein Bühnenprogram kennt, weiß dass ich Tussis seeeehr zwiegespalten gegenüberstehe. Zum einen mache ich mich gerne drüber Lustig, zum anderen nutze ich das Rollenspiel unheimlich gern auf der Bühne. Diese Affektiertheit mit einem gleichzeitigen Empowerment usw. ... ich liebe es.  Und da steckt auch viel Emanzipation und Empowerment in dieser Art und Weise, Weiblichkeit zu leben. Als ich 2018 mit den Texten angefangen habe, habe ich dieses Überperformen von Weiblichkeit (was es gar nicht ist, aber dazu später) als Messlatte gesehen. Da muss ich hin. Das hat sich drastisch geändert seitdem ich in einem Umfeld bin, in dem das im allgemeinen als Lächerlich empfunden wird und ich entspannt mit meiner Performance als weiblich erzogene Person umgehen kann. 

Ein entscheidender Punkt kam im Zweitstudium hinzu, als ich erst gemerkt habe, dass es unterschiedliche Arten von Feminismus gibt. Und das hat explizit damit zu tun, wie Frauen* in meinem unmittelbaren Umfeld sich als Frau* verstehen und verstanden werden wollen.

TUSSI CHECK

Über welche Performance reden wir aber eigentlich? Ich stelle mal ein paar Eigenschaften zusammen, die so ein ungefähres Bild erzeugen könnten:

 

1. Lästernetzwerke/Frauenfeindlichkeit: Gossip bestimmt einen Großteil der Unterhaltungen, in denen es im Grunde darum geht, sich selbst von Sachen angegriffen zu fühlen, die nie zu einem Selbst gesagt worden sind. Gleichzeitig wird aber über andere Frauen abfällig geredet, weil sie sich zum Beispiel verletzlich zeigen oder Probleme sichtbar machen ODER mit einer anderen Spielart von Weiblichkeit Erfolg haben.

 

2. Äußeres/ Performance ist alles. 

Diese beruht zum Großteil auf den neuesten Trends im Bereich Fashion, Selfcare und Spiritualität - auf Selfies und Good-Life-content in Social-Media. Inklusive dem Klischee unheimlich busy und gefragt zu sein. 

(Meine Lieblingsaufnahmen sind immer noch insta-Stories mit zwei Getränkegläsern auf dem Tisch, um Gemeinsamkeit zu suggerieren. Am Ende sitzen solche Personen alleine und heulend in der Bude am Küchentisch und das zweite Weinglas ist noch vom gestrigen Abend, weil sie sich täglich einsam in den Schlaf trinken müssen.... nur mal so ein Gedanke.)

 

3. Die Mischung aus Eleganz und Drama: 

Ein Wechselbad der Gefühle, den Großteil der Zeit wird eine Überlegenheit performt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem Eingeständnisse Sinn machen, um sich noch weiter über andere Frauen zu erheben.  (Als Beispiel der Spruch: „Aufstehen, Krone richten, weitergehen.“ - Was im übrigen nur das Patriachart weiter unterstützt, da von Frauen dann verlangt wird, über den Dingen zu stehen, statt auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. )

 

4. Objektifizierung von Männern: 

Zur Stabilen Performance gehört natürlich auch ein klares Männerbild, dass dann in den Frauen*-/Freundinnenkreis ausgiebig besprochen wird. 

Tussis verhalten sich an diesen Stellen genauso wie handelsübliche Machos... und sprechen Männern* ein gewisses ausgeliefert Sein zu, dass sie mit ihren weiblichen* Reizen (aus-)nutzen.

Gleichzeitig wird das weibliche Geschlecht* als klüger und stärker performt.

 

ABER: In diesen vier Punkten finde ich mich zu verschiedenen Phasen meines Lebens oder auch meines Tages selbst wieder. Ich beschreibe hier also eine Performance und Spielart von Weiblichkeit - kein Persönlichkeitsprofil.

Deshalb sollten wir überlegen, woher wir solches Verhalten gelernt haben und warum wir es in manchen Momenten als angemessen oder gerecht empfinden...

 

Sich so zu verhalten, kann verschiedene Gründe haben: Wir haben es so gelernt. Oder wir haben Filme und Serien gesehen, deren Heldinnen durch solches Verhalten erfolgreich sind. (Immer noch mein Lieblings-Hass-Beispiel: Sex and the City)

MEINE PERSÖNLICHEN ENDGEGNER:INNEN

Bei dem Thema habe ich ungeahnt Aggressionspotenzial entwickelt. Weil ich mich im Zwiespalt befinde auf der einen Seite geht es darum, andere Frauen zu supporten, auf der Anderen finde ich diese Genderperformance einfach rückschrittlich. Es geht darum, perfekt zu funktionieren und Perfekt dabei auszusehen.

Und was mich am meisten stört, ist, dass es mich in meinem Äußeren Erscheinungsbild und meiner eigenen Performance einschränkt. Andere Menschen lesen gern dieses Klischee in mir. Das merke ich, wenn mich zum Beispiel Männer ansprechen und wie sie erwarten, dass ich reagiere. Gleichzeitig verschiedenste böse Blicke aus den Besagten Mädelsgruppen. Früher wäre ich gern hingegangen und hätte gesagt: "Keine Sorge, ich trag zwar Absatzschuhe, aber ich schnapp euch heute Abend hier niemanden weg." Sich also "modisch" zu kleiden war keine Option. Es war mir schlichtweg zu anstrengend, weil es die falschen Signale gesendet hat. Es hat mich richtig aufgeregt. Schließlich habe ich dann mit Lackschuhen und tiefen Ausschnitten eher in eine Andere Kerbe geschlagen und bin von der Eleganz ins Vulgäre gerutscht. Somit war  zwar noch Lästermaterial, aber nicht mehr Konkurrenz und für die Männer haben meine Outfits eher abschreckend gewirkt. Ich hatte also meine Ruhe. Dazu kommt, dass ich mich ja eh in sämtlichen Kleidungsstilen wohlfühle... auf das städtische "schick" habe ich also lange verzichtet. Inzwischen muss ich das nicht mehr, aber das hat mehr mit meinem Selbstbewusstsein zu tun und mit dem Wunsch, mich von den generischen Tussis abzugrenzen. Und nachdem ich mir bewiesen hatte, dass ich auch mit Netzstrumpfhosen gute, seriöse Jobs bekomme, war die Beweispflicht getan und ich konnte mich mit den Ideologischen Gegebenheiten der Tussiperformance beschäftigen...

 

Denn wie schon im Tussicheck beschrieben, geht es weniger um das Äußerliche, sondern um die Vorstellung die ultimative Formel des Frauseins gefunden zu haben und dann andere Personen abzuwerten, die dieser Performance nicht entsprechen. Das da ganz viel Unsicherheit und Versagungsängste drin stecken, dass ist ja für alle erkennbar. Umsonst bräuchte es nicht dieses gesamte dramatische Theater außenherum. Klamotte dient da eher als Code und Einordnungshilfe.

 

Gleichzeitig finden wir Tussis aber nicht nur im Business-Klischee. Die Art von Tussi, von der ich spreche, findet sich auch im Hipster-Klischee wieder oder im Esoterik-Milieu wieder, bis hin zur Übermutter, die "ihre Männer" daheim unter der Fuchtel hat. Aber gehen wir mal auf ein paar einzelne Punkte ein.

STARKE SICHTBARE FRAUEN in den Medien

Da ich hier immer noch Stark vereinfache und eben mehr von einem Klischee spreche, als von einem Bestimmten Schlag Frauen (weil es sowas generell nicht gibt), ist es nun natürlich schwierig für mich Tussi Begegnungen Face-to-Face zu beschreiben. Ich glaube auch nicht, dass diese Performance so funktioniert. Sie funktioniert über Unnahbarkeit und einer lächerlichen Mystik, der der "einfache" Mann dann zum Opfer fällt. - Und das ist ganz wichtig! Dieses Tussi-Narrativ funktioniert nur mit der Vorstellung einer heteronormen triebgesteuerten Männlichkeit... Oder vielleicht noch generell mit der Vorstellung eines Geschlechterkampfes aus der Privilegierten, weißen Oberschicht des letzten Jahrhunderts ... oder eben auch nicht. Denn auf was beziehen sich die Frauenvorbilder. - Auf gute Geschichten! Angefangen mit Marilyn Monroe und anderen Fashionikonen, die vielleicht in ihrer Performance einen Emanzipatorischen Schritt getan haben, weil sie in plötzlich Hauptrollen übernommen haben.  - Damit will ich aber sagen, dass die Ästhetik im zeitlichen Kontext absolut legitim ist. (Wenn auch trotzdem beschissen für alle Geschlechter.) Schreiten wir in der Zeit vorran. Wenn Cher im Jahre 1996 sagt: "Men are a luxury, not a necessity.", dann ist das im Rahmen eines damaligen Emanzipationsprozesses, als eine Bühnenperformerin, ganz klar einzuordnen. Weiter geht´s mit Serien wie Sex and the City oder Gossip Girl: Auch hier werden zum Teil reflexive und emanzipatorische Prozesse gezeigt, ABER ABER ABER von wem denn? Das sind alles weiße und generell schon reiche Städter:innen!

 

Und da sind wir an dem Punkt, auf den ich hinaus will: Die Erfolgsgeschichten müssen immer einer bestimmten  Ästhetik entsprechen. Eine Alleinerziehende Mutter mit drei Kindern verkauft sich optisch nicht so gut. Frauen, die sich die Yogastunde vor/nach der Arbeit oder die „Qualitytime with my girls“ sowohl zeitlich als auch monetär leisten können, erfüllen ein „optisch ansprechendes“ und neoliberales Bild von Feminismus. 

 

Im digitalen Zeitalter sollten wir diese Sichtbarkeit nicht unterschätzen. Inzwischen können wir diese Erfolgsgeschichten auch immer wieder aufrufen, liken und teilen und sie uns als Statement in unsere eigene Performance einbauen. Das Problem ist aber: Das sind kuratierte, lektorierte, verdichtete oder erfundene Geschichten. Und ich hab das Gefühl, dass die Unterscheidung zwischen Kunst/Kunstfigur und Persönlichkeit immer geringer wird. Die Selbstdarstellungen im Internet von Frauen werden immer humorloser, eben weil es darum geht die Rolle aufrecht zuhalten. Der ästhetisch normierte Lifestyle geht also von Celebrities und Hollywoodgeschichten über ins Marketing und damit in unseren Konsumgüterkreislauf. Vorstellungen werden zum Status, den wir erreichen und darstellen sollen. Dabei haben Frauen aus Familien mit geringeren Hürden es wesentlich einfacher. Städtisches Leben, Nähe zu Bildungsmöglichkeiten, "cosmopolitischer" und kreativer  Austausch... Alles was sich bildungsbürgerliche, weiße Frauen in den letzten Feministischen Wellen schon erarbeitet haben. Das ist ja an sich erstmal gut, aber eben nicht das Ende der Fahnenstange. Im Moment wirkt das so. Das liegt auch an der Sichtbarkeit, auf Social-Media. Wieder die Frage, wer stell erschafft denn den Content? Die Alleinerziehende Mutter mit drei Kindern? Was ist mit Personen, die kein Englisch können? Was ist mit Personen, deren Arbeitsverhältnisse es nicht zulassen, darüber zu erzählen? - Das erzeugt eine Wirklichkeitsverzerrung, die es Personen ermöglicht, ihren privilegierten Status als eine Art Empowerment darzustellen, der alltäglich ist.

Nachdem wir hier erstmal die Basics geklärt haben, gehe ich im nächsten Blogbeitrag auf verschiedene Alltagspraxen ein, die sich in der Performance als Tussi wiederfinden.

  • Was bedeudet Intelligenz? -Schlauer als Männer?
  • Abwertung anderer Frauen
  • Neoliberalistische Frauengeschichten 
  • Aufruf zur Selbstverwirklichung: Der Unterschied zum queerfeministischen Empowermentbegriff
  • Fazit: Wie gehen wir mit Tussis im Alltag um

Bis dahin.

XOXO

Luise