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TUSSIS - Die intelligenteren Frauen?

- "Ich bin schlau UND hübsch! Ich bin voll emanzipiert!" - 

Brauchen wir Tussis im Queerfeminismus?

DISCLAIMER: Die Rühreikonstante ist eine Serie von Blogbeiträgen, die das Thema Identität anhand einzelner Themenbereiche und persönlicher Erfahrung darzustellen versucht. Ihr findet hier weder Lebenstipps noch den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Was bedeutet Intelligenz

Jetzt wird´s kurz kompliziert, denn meiner Beobachtung nach gibt es keinen wirklichen Messwert für "intelligente Ausstrahlung". Und es ist auch immer ein Aufreger Thema für mich, weil Intelligenz nichts darüber aussagt, ob ein Mensch  sich für die Gesellschaft einsetzt. Intelligenz sagt nichts über die Moral aus. Und ich find´s abartig, wenn Frauen diese "Eigenschaft" benutzen, um sich von anderen Frauen abzuheben. Aber woher könnte dieses Bedürfnis kommen?

Intelligent Performen als Emanzipationsprozess?

Das Frauen intelligent sind und generell einiges drauf haben müssen, um sich aus einer Rolle hinauszukämpfen, die sich als Gebärmaschinen abgestempelt, ist klar. Sie müssen sich aber auch aus der Objektivierung im Allgemeinen herauskämpfen. 

Die Vorstellung, das Frauen intelligent sein können, klug handeln können, mussten sich weiblich gelesene Personen erst erarbeiteten. Und selbst als sie das getan haben, waren sie dann auch nur so klug "wie ein Mann". Intelligente Frauen als Sonderform im weiblichen... mit Attributen des "Männlichen" versehen. ABER dazu sei gesagt: Das sich die Vorstellung von Intelligenz auch geändert hat und Frauen schlichtweg nicht über die ihre zugewiesene Care-Arbeit hinaus erzählt wurden. (Was auch wieder damit zu tun hat, welche Geschichten erzählt worden sind. Wie schon erklärt, Geschichten aus der Arbeiterschicht, taugen maximal für Komödien oder um Scams von Schneeballkonzernen zu erzählen. Ansonsten werden nur Geschichten aus der Privilegiertenschicht erzählt.)

HüBsch und schlau

Frauen, die zu weiblich aussehen, denen wird Intelligenz abgesprochen? Meine Erfahrungen in diesem Bereich reichen zum Glück nicht über ein gelalltes "Boah, für so´n Gespräch bin ich zu betrunken. Hab´ dich nur angesprochen, weil du´n großen Hintern hast." hinaus. Liegt aber vermutlich daran, dass ich die Menschen anspreche, die ich spannend finde und ich es umgekehrt nicht abkann, wenn ich angequatscht werde. :D

Ich bin auch nicht hübsch und kann auch nicht sexy sein, ohne nen Lachanfall zu bekommen, daher kann ich mich schlecht auf eigene Erfahrungen beziehen. Umgekehrt kenne ich aber den ganzen Gossip aus meinem Erststudium, den ganzen Männersprech und die Anfeindungen unter den Frauen... ich versuche es also aus der Ecke zu verdichten.

Frauen mit klasse (kotzemoji)

Ich habe ewig nach dem Wort gesucht. Aber "Klasse haben" ist genau das, um was es geht: Die perfekte Mischung aus "Intelligenz und Schönheit und Schweigsamkeit". Frauen, die sich ihrer Macht bewusst sind, und deshalb nicht viel sagen müssen... angeblich. Ich weiß nicht... ist das wirklich sexy? Gut, jeder wie er:sie will, aber für mich ist das beschissener Upper-Class-Mist. Um ein Unternehmen weiter zu führen oder die Familie zusammenzuhalten... ok. Also um dafür zu sorgen, dass alles bleibt, wie es ist... dafür ist die Strategie gut. Um gesellschaftlich etwas zu verändern, braucht es aber doch andere und laute Methoden. Eine Frau mit Klasse entspricht dann exakt der männlichen Intelligenzvorstellung. - Die offizielle Anerkennung unseres Patriarchalischen Systems. Herzlichen Glückwunsch. ABER natürlich: Was ich hier kritisiere, ist im Rahmen dieser Tussi-Definition zu verstehen. Genügend Frauen, müssen sich einfach ihrem Umfeld anpassen, um zu überleben... das sind aber nicht die Frauen... die sich damit verkaufen. Denn wieder geht es um die verdammte Sichtbarkeit: auch Frauen haben Netzwerke. Auch Frauen, bedienen sich Tricks und Dominanzgesten im Alltag.

Aber wenn es nicht um Geld oder Sex geht... wer interessiert sich schon dafür?

 

Aber wer sind denn diese Klasse Frauen? Frauen mit Geld. Die sich eine Bestimmte Ästhetik leisten können. Und um das Bild vollständig zu machen: Wie viele Filme gibt es, in denen mächtige Männer, von einer Geheimnisvollen Frau begleitet werden. eine Frau, die zumeist alles managet und überhaupt dafür sorgt, dass der Held in der Lage ist zu agieren? Gefolgt von einer Szene, in der emotional und besorgt um den Helden ist... blablabla. Wir wissen ja alle, dass das Fiktion ist... aber trotzdem bestimmt das unseren Alltag. Von der Parfümwerbung angefangen, bis hin zu den Ratgebern wie  wir mit unseren Ehemännern umgehen müssen. - Immer wieder dieses hintenrum... dieses hinterherräumen... oder dieses "Ach lass ihn, der halt so." - Denn eine Frau mit Klasse regt sich nicht auf... denn sie weiß, dass ihr Mann ohne sie komplett aufgeschmissen wäre... und er weiß es auch... blablabla. Das ist Mist und absolut krampfig.

 

männer_manipulieren

Ganz ehrlich:  Ich will nicht schlauer sein als mein:e Partner:in. Das ist schlicht langweilig. Aber diese Vorstellung, dass ich das sein müsste, hat sich bei mir ganz lang gehalten. Das lag auch daran, dass ich hauptsächlich mit Männern verkehrt habe, die auf sowas stehen. Wobei das eher kompetetiv war. Als Person, die sehr gebildet performt (ob ich das wirklich bin, wage ich zu bezweifeln), war ich auch so eine Art Anstecknadeln. Das ging in zwei Richtungen: Zum einen fühlten sich diese Männer unheimlich toll, weil ich sie  auserkoren hatte. Zum anderen ging es darum, mir zu zeigen, wie schlau sie sind. Oder wenn sie in einer Argumentation nicht weiterkamen, mich themaunabhängig auf Verfehlungen meinerseits hinzuweisen. Wut kam dann auch mit hinzu, von wegen "Luise, du vergisst, dass ich kein Abi hab!" - Ich hab halt irgendwann angefangen die Klappe zu halten und stattdessen mit anderen Personen über das Gesprochen, was mich interessiert. Was dann übrig blieb, von diesen Bekanntschaften, war am Ende ein Kummerkasten, in den sich Typen, die sich gern mit intelligenten Frauen umgeben, regelmäßig erbrachen. Mir ist erst später bewusst geworden, dass das ja auch alles eine sexualisierte Außenwirkung hat. Ich habe Männer erlebt, die mich beschimpfen oder mir absichtlich von anderen "schönen und intelligenten" Frauen erzählen, um mich irgendwie zu verletzen. - weil sie sich eben mal nicht als "schlaueste" Person am Tisch gefühlt haben. Ich hab gedacht, ich müsste das Aushalten... als Frau mit Klasse... ich müsse da drüber stehen. Am Ende habe ich nur dafür gesorgt, dass andere Frauen genauso instrumentalisiert werden.

 

Und das macht es alles so schwierig, weil das Ideal von "Schön und Schlau" wirklich im ersten Moment ein Befreiungsschlag für die Frauen ist/war. Indem Frauen jetzt auch auf jede erdenklich Art und Weise schlau, gebildet, kompetent, intelligent usw. sein dürfen. - Nicht nur schmückendes Beiwerk. Aber ich habe das Gefühl, dass sich die Qualitäten zwar geändert haben, das System aus Konkurrenz ist aber gleich geblieben. Es geht immer noch darum, wer den fanciesten Lifestyle hat und wer seine:ihre Partner:innen am besten im Griff hat. Wer wem am hörigsten ist... Deshalb funktioniert die Tussi Performance auch so gut. 

selbstverständlichkeit von intelligenz

Es geht mir wieder mehr um die Mischung von Erscheinung und die Erwartungen in der Tussi-Performance.

Tussi bedeutet ja eigentlich was anderes... umgangssprachlich vielleicht "Oberflächliche Kuh" oder so? Aber das verschiebt sich... seid Frauen selbst mit "oberflächlich" konnotierten Praxen und Produkten Geld verdienen. Dieses Fashion-Beauty-Lifestyle Ding ist nicht mehr dafür da, damit Männern Frauen Produkte verkaufen, um Frauen noch schöner für "ihren" Mann zu machen. Frauen* präsentieren sich heute mit Lifestyle Produkten als knallharte Businessfrauen. - Sie müssen beides sein: Model und Geschäftsfrau. - Ansich ja erstmal toll, aber hilft das wirklich weiter, dass System im Großen und ganzen zu verändern? (Dazu später mehr...)

Wieder haben wir hier mit einer Verzerrten Sichtbarkeit zu kämpfen: Schöne schlanke, scheinbar voll emanzipierte Frauen werden uns jeden Tag auf Social Media vorgeführt. Das sind aber nicht die Mehrheit. Auch die Großstadt People, die im Journalismus arbeiten, Aktivist:innen sind usw. Generell der Kreativbereich lebt von einer Selbstdarstellung, die Kompetenz und Erfolg ausstrahlen muss, um Jobs zu generieren. (Ob das dann nur so inszeniert ist, sei dahin gestellt. - Selbständig zu sein, ist nicht einfach. - Umgekehrt im Schichtbetrieb für Mindestlohn zu arbeiten auch nicht... dafür gibt's dafür nicht die Aussicht auf Applaus, Preise und ein schönes Portfolio.)

Intelligent ist nur wer sich intelligent darstellt.

Zu Hübsch um klug zu sein

Wie anfangs schon beschrieben, müssen sich Frauen* immer noch aus Gesellschaftlichen Klischees befreien.

  • Frauen*, die mit einem Körper geboren worden sind, der aktuellen Schönheitsidealen entspricht, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, alles nur wegen ihres Äußeren erreicht zu haben.
  • Frauen*, die an und mit ihrem Körper arbeiten, wird Vorgeworfen, zu oberflächlich zu sein.
  • Frauen*, die in hohen wirtschaftlichen oder akademischen Kreisen arbeiten, dürfen nicht zu "sexy" wirken (was auch immer das im jeweiligen Kontext dann bedeuten soll), weil ihnen sonst Kompetenz abgesprochen wird.
  • Frauen*, die weder ihren Körper noch ihre Intelligenz zur schau stellen, sondern einfach... arbeiten... sind unsichtbar.

TUSSIS als zwischenschritt in der Gleichberechtigung?

Tussi sein, würde ich HEUTE nicht mehr als emanzipatorischen Schritt verstehen, sondern als Anpassung an ein patriarchalisches System. Denn es befähigt EINZELNE Frauen von diesem System zu profitieren. Es auszunutzen. Indem sie die gleichen Ausgrenzungsmethoden verwenden. Indem sie von einem Männerbild ausgehen, dass Männlichkeit mit Triebhaftigkeit beschreiben, die sie ausnutzen können und Männer* gleichzeitig mit einer "Intelligenz" gleichsetzen, die sie Übertreffen können.

 

Vielleicht ging es früher mal darum, einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Frauen, die sich heute diese Frauen/Ikonen/Heldinnen zum Vorbild nehmen, handeln nur im eigenen Interesse... oder weil´s hübsch ist... ah hihihi... stößchen...

XOXO

Luise