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EMANZIPIERT DURCHS ZWEITSTUDIUM

Bachelor #2 geschafft. Das Ende eines Kapitels:

 

"Im Grenzbereich des Tolerierbaren..." So bezeichnete mein ehemaliger Professor meine Studienarbeiten im Erststudium. Die bisher sehr guten Noten seien nur damit begründet, weil er sich ja so für mich eingesetzt hatte. Mich persönlich bezeichnete er als "schwierige Studentin". - Dass ich später in seinem Seminar eine 4,0 bekommen habe, habe ich über meine Seminargruppe erfahren, mit denen er anscheinend regelmäßig über mich gesprochen hat.

 

Dass ich keine schlechte Künstlerin war, hab ich erst im Zweitstudium kapiert.

Schließlich ging die offene Abwertung erst los, als ich eine andere Person als Betreuer im Master haben wollte und nicht ihn. (Deshalb auch der Hinweis, dass ich nur durch ihn so gute Noten bekommen hätte.) - Das Identifizieren von diesen Sprüchen als Männliche Dominanzgesten hat mir geholfen, solche Aussagen nicht auf mich zu beziehen, sondern es als ein Symptom von dem Patriachart zu sehen, in dem wir alle noch leben.

 

Deshalb schließt dieser akademische Abschluss in den Kulturwissenschaften nicht nur ein Kapitel ab.

Mit dem Gefühl nichts wert zu sein, habe ich damals Schneeberg verlassen... und das hat zwischenzeitlich auch Tür und Tor für Menschen und Ideologien geöffnet, die nur sich selbst heilig sind und Menschen in Krisen auszunutzen wissen.

 

Das jahrelange Leben und Lernen in einer stark kompetitiven und missgünstigen Seminargruppe, wo jede, befeuert durch den Lehrstuhl, nur auf den eigenen Vorteil festgelegt war und Freundschaften als Soft Skill eingesetzt wurden... - Sich von dieser Konditionierung zu befreien, war im neuen Umfeld besonders schwer.

 

Dieses Zeugnis hab ich gebraucht. Ich habe es nun schwarz auf weiß, dass ich nicht dumm bin. Ich habe mir die Zeit genommen, mich literarisch und akademisch freizuschreiben... UND ERSTMAL ZU KAPIEREN, DASS ICH MIT MEINEN ERFAHRUNGEN verdammt nochmal NICHT ALLEINE BIN. Es gibt ganze Wissenschaftszweige, die sich mit diesen strukturellen Diskriminierungen beschäftigen!

 

Das ist das erste Zeugnis, über das ich mich ganz offen freuen kann, weil ich von Personen bewertet worden bin, deren Forschungsinteresse ich nachvollziehen kann und deren moralische Ausrichtung im akademischen Tun von mir komplett unterstützt werden kann... ja sogar eine Vorbildfunktion einnimmt.

Ich musste mit niemandem Sekt trinken, ich musste über keine beschissenen Alt-Herren-Witze lachen oder die "Visionen der Dozierenden" umsetzen, um gute Noten zu bekommen. Ich musste nie übergriffiges Psychologisieren über mich ergehen lassen.

 

Und das Wichtigste: Ich war/bin in diesem Studium niemandem verpflichtet. Die Lehre ist ein Angebot und kein Dogma, das auf persönlicher Ebene ausgetragen wird. Das gibt mir umgekehrt auch die Sicherheit, mich auch anderswo umzusehen, zu experimentieren und zusammenzufügen, ohne zu fürchten, (männliche) Egos zu verletzten, die anscheinend von (weiblichen) Studierenden wie Götter verehrt werden wollten.

 

Mit dem Abschluss und meinen aktuellen Forschungsinteressen und Projekten geht es mir darum, sich und Anderen Gehör zu verschaffen ... in der Hoffnung, dass irgendwann keine Frau* mehr das Bedürfnis haben muss, zu studieren, um sich ihrer eigenen Wahrnehmung zu versichern.

 

"Im Grenzbereich des tolerierbaren..." in kompetenten Kreisen nennt man sowas auch Trans- oder Interdisziplinarität... ja oder manchmal auch Kunst. 😉

 

Glück Auf. 🖕


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