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Artist in Residence: Writing a novel in Tuscany (ENG/DE)

ENG: From March to April, I had the opportunity to escape to Tuscany for a month. Cornelia Funke's project supports artists and scientists: As a guest there, you get to know many talented people from all over the world and from all professions, you can exchange ideas and support each other. You have the opportunity to work on your projects without stress and pressure. Moreover, the time in Mulinaccio, an old agrotourism estate, also became very special thanks to other species. I had already been there in October last year to support the filmmaker Laureen Laser with her film project and to document the transformation of the estate into a permaculture site as a camerawoman and sound recordist. Arriving there again six months later and experiencing a colorful, buzzing biodiversity instead of a boring lawn was a really nice moment. And I was able to write. Write at last. I haven't written fiction for five years. (With a few small exceptions.) I took my camera equipment with me again, with the idea of having time to make a movie there, but when I was there, when the stress of the last few years could only be heard muffled and very quietly from afar, I finally wanted to write again. It was a wonderful month. 

 

 

I drew maps in the attic of the house. I sat in the print studio to create the characters' backstories, but most of my time was spent in the greenhouse. There I sat for hours and wrote and wrote and wrote while the small, freshly planted herbs and vegetables started to grow next to me and lots of little lizards kept watching me curiously and eventually sunbathed with me on the sofa.

 

Now I'm back again. - With a novel in progress that I could never have imagined I would write in this way. Also with a little boost of self-confidence. Even if it doesn't make the day any longer. I still have to write a dissertation, teach, design and have time for the people I want in my life. Right now, I'm lucky enough to only work on projects that are meaningful. Nevertheless, I often miss the punk in things. The thoughtless meaningfulness. That which continuously bursts out of you, collects inside you and is then put on paper. 

 

Consumption is no longer satisfying either: everyone shouts at each other and those who want to communicate appropriately and non-violently are not heard. Or those who have reason to shout are not heard because of the other noisemakers and have to resort to the language of the perpetrators.  

The humor is also different. Full of clickbait irony and cynicism, meme culture has turned into a Mario Barth show for academics.

 

Infographics on Instagram are now my real hate object, as they are no longer about sharing knowledge. Unimportant information and dubious tips are shared, which people are supposed to save on Instagram and so ensure more outreach. 

 

Nevertheless, as soon as I can take a deep breath again, I think I want to start blogging again, that I want to just put short stories and poems online again. But everything is now a “side business”. Doing for the sake of doing has been replaced by maximizing outreach. What counts is no longer what I have done, but how many views it has. - And that doesn't depend on quality, but on whether you publish something regularly and meet the attention aesthetics. And what is the point of publishing my poems if they are displayed between OF ads, conspiracy theories and esoteric pyramid schemes. I'm wavering between disappearing from the digital world for good and “you have to do something about all this shit, otherwise I'll leave the platforms to the agitators and fake news.” 

 

I haven't found a solution yet. All I know is that writing fiction again is a good start. The worlds I create are at least as cruel as the real one, but their cruelty has a function: it allows for mind games, solutions and enlightenment, which contains a lot of scientific knowledge, but in its narrative format, it is different from a doctoral thesis.

DE: Von März bis April hatte ich die Möglichkeit für einen Monat in die Toskana zu verschwinden. Das Projekt von Cornelia Funke unterstützt Künstler*innen und Wissenschaftler*innen: Als Gast lernt man dort viele begabte Menschen aus sämtlichen Himmelrichtungen und Berufsgruppen kennen, kann sich austauschen und unterstützen. Man hat die Möglichkeit, ohne Stress und Druck, an seinen Projekten zu arbeiten. Gleichzeitig wurde die Zeit in Mulinaccio, einem alten Agrotourismo Anwesen, auch durch andere Spezies ganz spannend. Im Oktober letzten Jahres war ich schonmal dort gewesen, damals um die Filmemacherin Laureen Laser mit ihrem Filmprojekt zu unterstützen und als Kamera- und Tonfrau den Umbau der Anlage zur Permakultur zu dokumentieren. Ein halbes Jahr später wieder dort anzureisen und statt langweiligem Rasen eine bunte, summende Artenvielfalt zu erleben, war wirklich ein schöner Moment. Und ich konnte schreiben. Endlich schreiben. Seit fünf Jahren habe ich keine Fiktion mehr geschrieben. (Mit ein paar kleinen Ausnahmen.) Ich hatte wieder mein Kamera-Equipment eingepackt, mit der Idee, dort Zeit für einen Film zu haben, aber als ich dann dort war, als der Stress der letzten Jahre nur noch ganz dumpf und ganz leise von Weitem zu hören war, wollte ich endlich wieder schreiben. Es war ein wundervoller Monat. 

 

Im Dachgeschoß des Hauses habe ich Karten gezeichnet. In der Druckwerkstatt saß ich, um die Hintergrundgeschichten der Charaktere zu entwerfen, aber die meiste Zeit verbrachte ich im Gewächshaus. Dort saß ich stundenlang und schrieb und schrieb und schrieb, während die kleinen, frisch gepflanzten Kräuter und Gemüsesorten neben mir begonnen zu wachsen und viele kleine Eidechsen mich immer wieder neugierig beobachteten und schließlich zusammen mit mir auf dem Sofa ein Sonnenbad nahmen.

 

Jetzt bin ich wieder zurück. – Mit einem angefangenen Roman von dem ich mir nie hätte vorstellen können, dass ich auf diese Art schreiben werde. Auch mit einem kleinen Boost an Selbstbewusstsein. Auch wenn das den Tag nicht länger macht. Ich muss trotzdem eine Dissertation schreiben, lehren, gestalten und Zeit für die Menschen haben, die ich in meinem Leben haben will. Gerade habe ich das Glück, nur an Projekten zu arbeiten, die sinnstiftend sind. Trotzdem fehlt mir oft der Punk in den Dingen. Das undurchdachte sinnvolle. Das, was aus einem kontinuierlich herausplatzt, sich in einem sammelt und dann zu Papier gebracht wird. 

 

Auch der Konsum befriedigt nicht mehr: Alle schreien sich an und die angemessen und gewaltfrei kommunizieren wollen, werden nicht gehört. Bzw. die, die Grund zum Schreien haben, werden wegen der anderen Krachmacher auch nicht gehört und müssen auf die Sprache der Täter zurückgreifen.  

Auch der Humor ist anders. Vor lauter Clickbait-Ironie und Zynismus hat sich die Meme-Kultur in eine Mario-Bart-Show für Akademiker*innen verwandelt.

 

Die Info-Kachel ist inzwischen mein Wirkliches Hassobjekt, da es nicht mehr Wissensvermittlung geht. Es werden unwichtige Infos und fragwürdige Tipps geteilt, die sich Menschen auf Instagram abspeichern sollen und so für mehr Reichweite sorgen. 

 

Trotzdem: Sobald ich wieder etwas durchatmen kann, denke ich, dass ich wieder mit Blogschreiben anfangen will, dass ich wieder Kurzgeschichten und Gedichte einfach online stellen möchte. Aber alles ist jetzt ein „Side-Business“. Das Tun um das Tuns Willen wurde durch eine Reichweiten-Inwertsetzung ersetzt. Es zählt nicht mehr, was ich gemacht habe, sondern wie viele Aufrufzahlen es hat. – Und das hängt nicht mit der Qualität zusammen, sondern ob du regelmäßig etwas veröffentlichst und den Aufmerksamkeitsästhetiken entsprichst. Und was nützt es meine Gedichte zu veröffentlichen, wenn sie sich zwischen OF-Werbung, Verschwörungstheorien und Esoterischen Schneeballsystemen angezeigt werden. Ich schwanke zwischen einem endgültigen Verschwinden aus der digitalen Welt und einem „man muss der ganzen scheiße doch etwas entgegensetzen, sonst überlasse ich die Plattformen den Hetzern und Fakenews.“ 

Eine Lösung habe ich noch nicht gefunden. Ich weiß nur, dass wieder Fiction zu schreiben ein guter Anfang ist. Die Welten, die ich entwerfe, sind mindestens genauso grausam, wie die echte, aber ihre Grausamkeit hat eine Funktion: Es lässt Gedankenspiele zu, Lösungsansätze und Aufklärung, in der ganz viel wissenschaftliches Wissen steckt, aber in seinem Erzählformat, doch anders berührt als eine Doktorarbeit.