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TOTE & FREUNDE

Manches Eingeständnis braucht sehr lang.

Was nicht heißt, dass es nicht schon da war 

- im unbewussten Vorhang.

 

Ich will, dass er stirbt.

Keine Gewalt. Kein Blut.

Mit einem Fingerschnippen

soll er nur verschwinden.

 

Und trotzdem will ich seinen Leichnam sehen.

Nur um sicher zu gehen,

dass er es auch ist.

Dass er niemals wieder eine Frau quält

und sie dazu bringt,

an sich selbst zu zweifeln – zu verzweifeln.

Oder glaubt, dass etwas nicht mit ihr stimmt.

 

Wie viel Schuld trage ich,

wenn es wieder passiert?

Wenn er wieder jemand so zerstört,

wie mich.

Weil ich nichts gesagt habe.

 

Aber ich habe doch gesprochen.

Es hat nur niemand‘ interessiert.

Denn Frauen können nur zwei Dinge empfinden:

Liebe oder Liebeskummer.

 

Aber ich stehe hier und empfinde nichts mehr,

denn das wurde mir abtrainiert.

Mit jedem Blick und jeder Schicht.

Mein Körper fühlt nichts mehr.

Ich sage nur was passiert ist,

ganz deskriptiv.

Trotzdem. – Interessieren tut es nicht.

 

Nur den Teil meiner Freunde, 

die das amüsant finden,

weil ihr eigenes Leben so langweilig und angenehm ist,

dass es doch ein Spaß wäre,

verständnisvoll und vermittelnd zu tun,

Hobbypsychologen zu spielen.

Nur um sich selbst einen Sinn zu verleihen.

 

Der Unterschied:

Die echte Freundin fragt: 

Wie geht’s dir damit?

Die andere sagt: 

Erzähl mir alles. Ich will es verstehen. 

Weil ich komm‘ super klar mit ihm. 

Hab´ ich schon erwähnt, 

wie gut wir befreundet sind?

Was? Ach, Luise, 

du hast wieder zu viel Temperament.

Am Ende hast du das auch ausgestrahlt,

dass du so behandelt werden willst.

Jetzt sei nicht so.

Sei doch froh.

Ohne ihn,

hättest du keinen Neustart gewagt.

 

Schieb‘ ich’s auf die Dorfkultur?

Egal.

Er hat jetzt alles.

Meinen Mut, meinen Geist,

meinen Körper. Meinen Freundeskreis.

 

Ich bin ihn los

und soll jetzt glücklich sein.

Ich versuch‘s

und fange jeden Morgen aufs neue

mit dem Glücklichsein an.

 

An manchen Tagen funktioniert nichts.

Krankschreiben lasse ich mich nicht.

Wegen was denn? 

Depression? Post-Traumatischer-Belastungsstörung?

Nein, das wird niemals in meiner Akte stehen.

Weil es nicht stimmt.

Erst wenn dort drin steht:

Krankgeschrieben wegen psychischer Gewalt,

dann … nicht eher.

Erst wenn da drin steht:

Krankgeschrieben weil unser System hegemoniale und gewalttätige Männer schützt und sich diese Männer sofort in die Opferrolle schmeißen, sobald Frauen das Wort gegen sie erheben.

Dann … nicht eher lasse ich mich krankschreiben.

 

Ich kann es nicht anders sagen:

Meine Hoffnung ist,

dass ich eines Tages aufwache

und erfahre,

dass wer geschnippt hat,

dass er tot ist.

 

Außerdem bete ich jeden Tag

für seine Unfruchtbarkeit.

 

Aber das spielt keine Rolle.

Das Gebet ändert nichts.

Darüber sprechen hilft nichts.

 

Weitermachen hilft nichts.

Schweigen hilft nichts.

 

Der Kaspar hat gewonnen.

Vorhang auf. Manege frei.

Lang lebe das Patriarchat.

Lang leben Frauen, 

die sich gern mit dieser Männlichkeit umgeben.

Ave Maria. Glück auf. Sieg H---.

Lang lebe der, der sich nimmt, was er gerade braucht.

Egal, ob es das Leben Anderer versaut.